Alles nur ein Spiel? Die Psychologie der Brettspiele

Das Brettspiel ist keine neuzeitliche Erfindung, sondern gehört zur Geschichte der Menschheit. Schon in der Antike verbrachten die Menschen ihre Zeit damit, Brettspiele zu spielen, um sich zu unterhalten. Das königliche Spiel Ur wird auf ca. 2600 v. Ch. datiert. In den 1920-ern wurden bei Ausgrabungen im heutigen Irak die dazugehörenden Spielbretter entdeckt. Zu den ältesten Brettspielen zählen auch Backgammon, das chinesische Spiel Go, sowie Pachisi bzw. Chaupar aus Indien. Als Spielelemente wurden je nach Herkunftsland Steine, Knochen und später auch geschnitzte Holzfiguren verwendet. Was hat es mit der Faszination für Brettspiele auf sich? Was treibt die Menschen dazu an, sich stundenlang mit Würfeln und Spielfiguren zu beschäftigen? Welche Motivation steckt dahinter?

Dass das Spiel weitaus mehr ist als ein bloßer Zeitvertreib hatte bereits Friedrich Schiller erkannt: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ lautet ein Zitat von ihm.

Klassifizierung der Brettspiele

Das Deutschen Spielearchiv Nürnberg beherbergt rund 30.000 Gesellschaftsspiele. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Brett- und Tischspielen des deutschsprachigen Raumes nach 1945. Über 600 Neuheiten werden jedes Jahr auf der größten internationalen Spielemesse in Essen vorgestellt. Bei dieser Anzahl ist es nicht verwunderlich dass es viele unterschiedliche System und Herangehensweisen zur Klassifizierung der Spiele gibt. Brettspiele können nach Erscheinungsjahr, Entstehungsort, nach der Anzahl der Spieler, nach der Anforderung an die Spieler (Glücksspiel – Mensch ärgere Dich nicht; Glück & Taktik – Siedler von Catan; Gedächtnisspiele – Memory) usw. eingeteilt werden. Das Deutsche Spiele-Archiv hat eine eigene Spiele-Klassifikation entwickelt, die sieben Oberklassen umfasst:

  1. Würfel- und Glücksspiele – Mensch ärgere Dich nicht, Kniffel
  2. Legespiele – Domino, Scrabble, Rummmikub, Bingo
  3. Denkspiele – Schach, Halma, Memory, Solitär
  4. Rollenspiele – Spiel des Lebens, Monopoly, Risiko
  5. Quiz-und Konversationsspiele – Trivial Pursuit
  6. Geschicklichkeits- und Aktionsspiele – Mikado, Avalanche
  7. Sonstige Spiele – mit Varia und Spielemagazine

Infografik Brettspiele im Laufe der Zeit

Spielertypen

Das Spiel ist nicht nur ein kulturelles Grundphänomen, sondern ein natürliches Grundbedürfnis des Menschen. Was muss ein Spiel bieten, damit man Lust bekommt ein Spiel aufzunehmen und es immer wieder zu spielen? Was sind die Motivationsgründe eines Spielers? Diese Fragen beschäftigen Spielwissenschaftler, Psychologen, Spielverlage und Marketingfachleute. Spieler sind keine monolithische Gruppe. Ihre Vorlieben und Motivationen variieren in wichtigen Punkten voneinander.
Anhand einer umfangreichen Befragung von über 300.000 Spielern weltweit hat Nick Yee, Begründer des Gaming Analytics Beratungsunternehmen, Quantic Foundry, ein empirisches Rahmenwerk für Spielmotivationen entwickelt und 6 Spielertypen identifiziert:

Action – Nervenkitzel und Spannung sucht dieser Spielertypus hauptsächlich bei einem Spiel. Die Eliminierung des Gegners als Ziel spornt ihn an.
Social – Zusammenarbeit und Wettbewerb sind die zentralen Motivationsfaktoren. Hier kann es einerseits darum gehen etwas gemeinsam zu erschaffen oder den Partner zu überholen.
Mastery – Dieser Typus liebt die Herausforderung und das strategische vorausplanende Denken. Schach ist genau das richtige Spiel.
Achievement – Der treibende Motor ist die Vollendung. Erst wenn alle Trophäen eingesammelt und alle Missionen erfüllt sind, gibt er sich dieser Typus zufrieden.
Creativity – Dieser Typus fühlt sich motiviert, wenn er mitgestalten und auf Entdeckungsreise gehen kann.
Immersion – Hier spielen Geschichten und Fantasie die Hauptrolle. Der Spieler fühlt sich besonders motiviert, wenn er in andere Charaktere, Welten eintauchen kann.

Wie Brettspiele die kognitive und persönliche Entwicklung von Kindern beeinflussen

Dass Brettspiele die geistige Entwicklung von Kindern beeinflussen, lässt sich nicht bestreiten und ist Gegenstand vieler Studien zeitgenössischer Pädagogen und Psychologen. Brettspiele begleiten uns das ganze Leben und können sich positiv auf den Ausbau und die Aneignung von Fähigkeiten auswirken. Um zu beurteilen, wie ein bestimmtes Brettspiel auf das konkrete Stadium der kindlichen Entwicklung abgestimmt ist, muss man sich folgende Fragen stellen:

  • Welche Hauptfertigkeiten werden für das Spiel vorausgesetzt? (Fertigkeiten)
  • Welche Fähigkeiten werden bei dem Spiel gebildet? (Entwicklung von Fähigkeiten)
  • Und nicht zuletzt: Macht das Spiel Spaß? (Attraktivität)

Das Interesse an einem Spiel wird schnell verloren gehen wenn die Aufgaben zu einfach sind oder im umgekehrten Fall, wenn das Kind sich mit der Struktur und Reihenfolge der Vorgänge überfordert fühlt und es dadurch zur Frustration kommt.
Dabei sind selbst kleine Kinder im Alter von 2 bis 3 Jahren durchaus in der Lage elementare Regeln einzuhalten und einfache Tischspiele gemeinsam mit einem Partner zu spielen. Allerdings ist das Interesse an einem Spiel von Kindern im Vorschulalter stark von dem Vorhandensein einer „Rollenspiel“ -Komponente geprägt (z. B. eine Mausspielfigur, die ihren Freund besuchen soll, usw.). Aus diesem Grund enthalten Spiele für kleine Kinder häufig Figuren oder Bilder von Tieren, Menschen und Objekten. Die Möglichkeit, das Spielende zu gewinnen ist eher zweitrangig. Kinder neigen dazu, ihrer Kreativität freie Bahn zu brechen und äußern den Wunsch, Regeln abzuändern und ersetzende Elemente in das Spiel einzufügen. Als Elternteil sollte man mit Verständnis auf Frustrationsmomente reagieren, da ein Kind erst lernen muss mit seinen Emotionen umzugehen. Ein paar tröstende Worte können da weitaus hilfreicher sein als Belehrungen.

Der wichtigste Faktor ist jedoch Spaß. Ohne Begeisterung lässt sich ein Spiel nicht spielen und nur durch Begeisterung wird Lernen effektiv. Gerald Hüther, Neurowissenschaftler und Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher, betont immer wieder die wichtige Rolle des Spiels beim Lernen und die Tatsache, dass das Lernen emotional aufgeladen sein muss.

Das Spielen von Brettspielen fördert eine sehr breite Palette an Fähigkeiten:

Kognitive Fähigkeiten – Dazu gehört zum Beispiel das logische und das abstrakte Denken, das strategische Denken (Fähigkeit, die Auswirkungen der eigenen Aktivitäten sowie der anderer Akteure vorherzusehen), die Raumorientierung, die Strukturierung von Objekten, aber auch akademische Fähigkeiten, wie der Spracherwerb (differenzierter Wortschatz, Verwendung korrekter syntaktischer Konstruktionen und grammatikalischer Formen), die Fähigkeit, Symbole und Zeichen zu verstehen und zu benennen oder ein besseres Mengen- und Zahlverständnis.
Konzentrationsfertigkeit und Gedächtnis – Memory ist ein klassisches Beispiel dafür.
Kommunikative und soziale Fähigkeiten – Dazu zählen zum Beispiel die Fähigkeit, sich in andere Spieler hineinzuversetzen, Lösungen für Konflikten zu finden,
Vereinbarungen zu treffen und einzuhalten, die eigene Position zu verteidigen. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Bedeutung des Rollenspiels für die Entwicklung der menschlichen Vorstellungskraft.
Emotionale Fähigkeiten – Die Fähigkeit Wut und Enttäuschungen zu verarbeiten und die eigenen Handlungen und Emotionen zu kontrollieren wird bei Brettspielen sehr gefordert und gefördert. Denn sie ist absolut notwendig, wenn man das Spiel bis zum Ende bringen möchte und das Ziel erreichen will.
Motorik – Nicht zuletzt sei noch die Förderung der motorischen Fähigkeiten erwähnt. Das Greifen und Führen von Spielfiguren, das Zusammenlegen von Teilen trainiert die Grob- und Feinmotorik, die Reaktionsfähigkeit, das Balance-Empfinden, sowie die Absichtssteuerung.

Kinder können also ungemein von Brettspielen profitieren und enorm viele Fähigkeiten, sowie positive Verhaltensmerkmale und auf- und ausbauen und ihre Fantasie anregen. Sie erleben Motivation, wenn es ihnen gelingt, knifflige Aufgaben zu lösen und sind stolz darauf, etwas Neues und Unterhaltsames gelernt zu haben.

Wenn Ihre Brettspiele also noch auf dem Dachboden verstauben, dann ist dies vielleicht ein guter Zeitpunkt, um sie wieder hervorzuholen und in die Welt der Spiele einzutauchen. Wer keinen Dachboden hat oder noch auf der Suche nach einem passenden Brettspiel ist, kann sich die zahlreichen Spielrezensionen von Bloggern durchlesen oder auf Vergleichsportalen wie ladenzeile.at orientieren, die Spiele nach Kategorien und Alter filtern und natürlich die Preise vergleichen.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaftsspiel
http://psyjournals.ru/files/44289/psyedu_2011_n2_eng_Salmina_Tihanova.pdf
https://quanticfoundry.com/gamer-motivation-model/

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Foto von Sabine, meinhaushalt.at

By Published On: 15.01.2019Categories: Familie, Haushalt, KinderKommentare deaktiviert für Alles nur ein Spiel? Die Psychologie der BrettspieleTags: , , , ,